Von den ersten Signalen zum positiven Körperbild: Wie Kinder lernen, auf ihren Körper zu hören und ihm zu vertrauen
- Ingrid Pfaffinger
- 6. Feb.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Feb.

Die ersten Lebensmonate eines Babys sind geprägt von intensiven Körpererfahrungen. Bereits vor der Geburt entwickeln sich sensorische Fähigkeiten, die eine enge Verbindung zwischen Körper und Gehirn herstellen. Dieses Zusammenspiel wird als Embodiment bezeichnet – ein Konzept, das die Wechselwirkung zwischen Körperempfindungen, emotionaler Entwicklung und Kognition beschreibt (Fuchs, 2018).
Was bedeutet Embodiment?
Embodiment beschreibt, dass Wahrnehmung, Denken und Emotionen nicht losgelöst vom Körper stattfinden, sondern tief in sensorischen und motorischen Erfahrungen verankert sind (Gallagher, 2005). Für Babys bedeutet das: Sie lernen die Welt nicht nur durch äußere Reize kennen, sondern durch ihren eigenen Körper. Die Art und Weise, wie sie gehalten, berührt und bewegt werden, beeinflusst ihre Wahrnehmung von Sicherheit, Bindung und Selbstwirksamkeit (Fotopoulou & Tsakiris, 2017).
Gerade bei Kindern ist das Körperbild eng mit der Ernährungssozialisation und dem Einfluss von Bezugspersonen verbunden. Ein gesundes Körperbild kann durch eine bedürfnisorientierte und moralisch neutrale Haltung gegenüber Essen, und dem wertschätzendem Umgang mit dem Körper gestärkt werden.
Feinzeichen: Frühe Signale des Babys verstehen
Babys kommunizieren von Geburt an über ihren Körper. Ihre Bewegungen, Gesichtsausdrücke und Lautäußerungen sind Ausdruck ihrer Bedürfnisse und Emotionen. Diese Signale werden als Feinzeichen bezeichnet. Eine aufmerksame Wahrnehmung dieser Zeichen und eine feinfühlige Reaktion darauf helfen dem Kind, sich und seine Körperempfindungen selbst einzuordnen und ein Gespür für sie zu entwickeln. (Papoušek, 2007).
Zu den Feinzeichen gehören:
Gesichtsausdruck: Stirnrunzeln, weit geöffnete Augen oder entspannte Gesichtszüge zeigen, wie sich das Baby fühlt.
Körperhaltung: Ein entspanntes Baby zeigt offene Arme und ruhige Bewegungen, während ein überreiztes Baby seine Arme anspannt oder abwehrende Gesten macht.
Atmung: Eine gleichmäßige Atmung signalisiert Wohlbefinden, während schnelle oder unregelmäßige Atemzüge auf Unwohlsein hinweisen können.
Blickkontakt: Babys suchen Blickkontakt, um Nähe und Sicherheit zu erfahren, meiden ihn jedoch, wenn sie eine Pause brauchen.
Embodiment, Bindung und die Entwicklung eines positiven Körperbildes
Die Wahrnehmung und Interpretation dieser körperlichen Signale durch die Bezugsperson spielt eine zentrale Rolle für die Bindungsentwicklung. Studien zeigen, dass eine feinfühlige Reaktion auf Babysignale mit einer sicheren Bindung im Kleinkindalter korreliert (Ainsworth et al., 1978; Beebe et al., 2010).
Diese frühe Körperkommunikation stärkt nicht nur die emotionale Sicherheit, sondern auch die spätere soziale und kognitive Entwicklung. Darüber hinaus beeinflussen diese frühen Erfahrungen die Entwicklung eines positiven Körperbildes. Wenn Babys erleben, dass ihre körperlichen Signale verstanden und respektiert werden, lernen sie, ihren eigenen Körper als wertvoll und kompetent wahrzunehmen.
Dies bildet die Grundlage für eine gesunde Körperwahrnehmung und Selbstakzeptanz im späteren Leben (Cash & Smolak, 2011). Positive Körpererfahrungen in der frühen Kindheit fördern ein bewusstes Körperbewusstsein und reduzieren das Risiko für spätere Körperunzufriedenheit (Piran, 2017). Mehr dazu erfährst du in unserem Onlinekurs "Kinder begleiten, die ihren Körper lieben".
Praktische Tipps für Eltern
Körperliche Nähe zulassen: Berührungen, sanftes Wiegen und Hautkontakt fördern die Regulation des Nervensystems des Babys.
Feinzeichen beobachten: Achten Sie auf Körpersprache, Atmung und Gesichtsausdrücke, um Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen.
Verlässliche Reaktionen zeigen: Ein promptes und angemessenes Eingehen auf Babysignale stärkt das Vertrauen und das Sicherheitsgefühl.
Ruhige Umgebung schaffen: Weniger Reizüberflutung hilft Babys, ihre eigenen Körperempfindungen besser zu verarbeiten.
Körperliche Autonomie respektieren: Bereits Babys profitieren davon, wenn sie in ihren Körperwahrnehmungen ernst genommen werden, z. B. indem sie nicht zu körperlichem Kontakt gezwungen werden.
Spielerische Körpererfahrungen ermöglichen: Aktivitäten wie sanftes Massieren, gemeinsames Tanzen oder Streichelspiele helfen Babys, ein positives Körpergefühl zu entwickeln.
Fazit
Embodiment verdeutlicht, wie eng Körpererfahrungen mit der emotionalen und kognitiven Entwicklung von Babys verknüpft sind. Feinzeichen sind dabei der Schlüssel zu einer achtsamen Interaktion und einer stabilen Bindung. Ein bewusster Umgang mit diesen Aspekten kann Babys helfen, sich sicher und verstanden zu fühlen – eine wichtige Grundlage für ihre gesamte Entwicklung.
Zudem tragen feinfühlige Körpererfahrungen wesentlich zur Ausbildung eines positiven Körperbildes und einer gesunden Körperwahrnehmung bei, die langfristig das Selbstwertgefühl und die Körperakzeptanz stärken.
Literaturverweis
Ainsworth, M. D. S., Blehar, M. C., Waters, E., & Wall, S. (1978). Patterns of attachment: A psychological study of the strange situation. Lawrence Erlbaum.
Beebe, B., Steele, M., Jaffe, J., Buck, K. A., Chen, H., Cohen, P., & Feldstein, S. (2010). Maternal sensitivity and infant regulation of negative affect and attention in the first year of life. Developmental Psychology, 46(2), 505-518.
Cash, T. F., & Smolak, L. (2011). Body image: A handbook of science, practice, and prevention. Guilford Press.
Fotopoulou, A., & Tsakiris, M. (2017). Mentalizing homeostasis: The social origins of interoceptive inference. Neuropsychoanalysis, 19(1), 3-28.
Fuchs, T. (2018). Ecology of the brain: The phenomenology and biology of the embodied mind. Oxford University Press.
Gallagher, S. (2005). How the body shapes the mind. Oxford University Press.
Papoušek, M. (2007). Early speech development in the context of the developing infant: Studies in perceptual and cognitive development. Cambridge University Press.
Piran, N. (2017). Journeys of embodiment at the intersection of body and culture: The developmental theory of embodiment. Academic Press.
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